
Mathilda und der Liebeszauber
Sie hat viel riskiert, um diesen Zauber zu erlangen. Auszug aus „Verliebt in einen fremden Gott“ von Aybiline I. Dahlson (19/02/2020).
Mathilda hielt den Liebeszauber fest in ihrer Hand. Sie hatte die kleine Küvette unter Einsatz ihres Lebens dem Dschungel auf Lucastea abgerungen. Mehrmals glaubte sie, ihre letzte Stunde hätte geschlagen, als sie in den Dornen der Riesenpflanze, einem seltenen Schmetterling nachjagte. Den Legenden nach versprühte dieser weiße Falter einen mystischen Nebel, dem kein männliches Wesen widerstehen konnte. Am Ende wurde sie für ihre Mühen entlohnt. Sie hatte zwei kleine Küvetten mit diesem geheimnisvollen Stoff füllen können. Er würde ihr Schlüssel zur Freiheit werden. Endlich nach all den Jahren Subordination und Gehorsam.
Doch zuerst musste sie diesen Auftrag hier zu Ende bringen. Sie musste Adonis, den Angebeteten ihrer Rivalin, der lächerlichen Königin Alisia, entführen. Sie hätte gerne Adonis dabei auch verführt und wer weiß, vielleicht würde es ja auch so weit kommen.
NT4, das Schiff, mit dem sie durchs All rasten, war tatsächlich leer. Zumindest fehlte die Sem’Pari-Armee, die hätte hier sein müssen.
Nach dem Alisia, naiv wie sie war, sie durch die wichtigsten Räume geführt hatte, war Mathilda immer noch skeptisch. Sie hatte die Führung durch das Schiff genutzt, um überall ihre Miniaturroboter zu platzieren.
Bald kannte Mathilda jede Bewegung auf dem Schiff. Die Minidrohnen hatten jeden Winkel erfasst und sich für Mathildas großes Finale positioniert. Sie konnte jetzt ihre Zeit nutzen, um den zweiten Teil ihres Planes umzusetzen. Dieser hatte einen Namen: Adonis.
Sie verbrachte die nächsten Tage mit Wanderungen durch das Schiff mit dem einzigen Ziel, Adonis über dem Weg zu laufen. Allen anderen ging sie aus dem Wege.
Binnen Kurzem kannte sie seine Gewohnheiten gut genug, um ihn scheinbar zufällig drei bis vier Mal am Tag zu begegnen. Anfangs seltener und dann immer häufiger traf sie ihn auf dem Weg zur Brücke oder zur Messe.
Mathilda experimentierte mit ihrer Kleidung. Sie zog sich mehrmals am Tage um, bis sie sicher war, seinen Geschmack zu treffen. Sie testete dabei auch seine Reaktion auf ihr Verhalten, indem sie ihm mal die unterwürfig, schüchterne Mathilda anbot, mal die Selbstbewusste, sogar einmal die Dominante.
Im Gegensatz zum Klischee eines Sem’Pari-Mannes, bevorzugte Adonis selbstsichere Partnerinnen, die wussten, was sie wollten – ein Punkt für ihn.
Am heutigen Morgen überprüfte sie ihr Spiegelbild. Die Frau, die sie vom Spiegel aus anschaute, war nicht mehr die Mathilda, die sie kannte, sondern der misslungene Versuch Alisia nachzuahmen. Das waren also die Vorlieben von Adonis, einfach zusammengefasst: Alisia.
Aber hier ging es nicht darum, welche Frau den Mann haben konnte. Mathildas Pläne sahen etwas ganz anderes vor.
Sie machte sich auf dem Weg zur Königin. Vor der Tür atmete sie tief durch und trat ein.
„Majestät, darf ich stören?“, fragte Mathilda höflich, als sie die Messe betrat, die Alisia während des Tages als Büro nutzte.
„Mathilda, was verschafft mir die Ehre?“
„Ich will sie wirklich nicht lange aufhalten. Deswegen komme ich gleich zum Punkt. Ich kenne die Bräuche der Sem’Pari. Auch wenn sie selbst nicht von deren Kulturkreis stammen, so ist doch Adonis ein Sem’Pari.“
„Sie kommen wegen Adonis zu mir?“
„Ja. Ich und Adonis sind uns in den letzten Tagen näher gekommen. Bevor ich ihm einen Vorschlag unterbreite, wollte ich sie, so wie es der Brauch der Sem’Pari fordert, um Erlaubnis fragen. Denn sie sind ja seine Hoch-Mutter.“
Zufrieden registrierte Mathilda die Überraschung und Unglaube in Alisias Gesicht.
Langsam und ganz vorsichtig erwiderte Alisia:
„Erlaubnis für was?“
„Oh, das ist doch offensichtlich. Sehen sie, Adonis und ich haben einige Zeit miteinander verbracht. Und, so wie er sich bei unseren Rendezvous vehielt, bin ich sicher, dass er dasselbe will, wie ich. Also möchte ich ihm vorschlagen, ihn zum Geliebten zu nehmen.“
Bis auf ein kurzes, leichtes Zittern in den Fingern, stand Alisia reglos da. Befriedigt registrierte Mathilda, dass ihr Stachel ihre Nebenbuhlerin ins Herz getroffen hatte.
„Sie müssen nicht sofort antworten, Majestät. Denken sie darüber nach. Aber glauben sie mir, Adonis fühlt sich sehr einsam. Danke für ihre Zeit, Majestät.“
Mathilda ließ die verdatterte Alisia stehen und verließ die Messe. Jetzt fehlte nur noch Adonis und dann der ‚Showdown‘!
Aybiline I. Dahlson
Wer ist die Gute und wer die Böse? Was passiert mit Adonis?
Alle Antworten finden sich im Buch „Logischer Irrtum“.